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Familie Balser-Theobald


DR. AUGUST BALSER

Unser Urgroßvater und Stammvater



Eltern

Pfarrer u. Lehrer


Baurat


Johann Daniel

Karoline

Dr. Karl Wilhelm

Marie

BALSER

ORTELLI

DIEFFENBACH

EULER

geh. 02.01.1844    Weimar

               verh.               BALSER

geh. 29.10.1857     Gießen

    verh.     DIEFFENBACH

* 26.06.1805

* 24.11.1822

* 04.08.1820

* 30.05.1825

Gießen

Weimar

Friedberg

Gießen

+ 02.02.1874

+ 10.05.1896

+ 12.09.1903

+ April 1892

Gießen

Darmstadt

Mainz

Grünberg

68

73

83

67

Geh. Obermedizinalrat u. Ministerialrat 


Dr. med. August

Agnes

BALSER

DIEFFENBACH

geh. 22.08.1886 in Grünberg

verh. BALSER

* 20.12.1858

* 27.06.1859

Gießen

Grünberg

+ 05.02.1937

+ 09.11.1925

Darmstadt

Darmstadt

77

66

3 Kinder

 

 Karl August

Eduard

Marie

BALSER

BALSER

BALSER-HOFMANN

* 17.05.1887

* 30.08.1988

* 12.12.1891

Assenheim

Assenheim

Alsfeld

+ 27.02.1956

+ 05.11.1953

+ 29.07.1977

Gießen

Lindenfels/Odenwald

Darmstadt

68

65

85


 

Mein Urgroßvater, Dr. August Balser, wurde am 20. Dezember 1858 in Gießen geboren. Er war der Jüngste von fünf Geschwistern. Der älteste Bruder Adolf ist mit 34 Jahren in San Franzisko in Kalifornien gestorben. Die beiden anderen Brüder sind 1880 ebenfalls nach Amerika ausgewandert und auch sie lebten in San Franzisko. Alle drei Brüder blieben unverheiratet und kinderlos. Der Mutter blieb nur noch der Jüngste, unser Urgroßvater. Er wurde unser Stammvater. Bei ihm wohnte sie bis zu ihrem Tod. Schwester Lina Balser ist früh gestorben ca. 1871. Hat als Krankenschwester im Lazarett gearbeitet und sich mit der damals tödlichen Krankheit TBC angesteckt. August war al-lein mit seiner Mutter, ohne eine Familie. Er fühlte sich sein Leben lang eher der Familie Ortelli, der Familie seiner Mutter, nahe. Er war Mitglied der "Stiftung für den Ortellischen Verwandtschafts-verbandes" und lange Jahre ihr Vorsitzender. Auch seine beiden Söhne und seine Tochter wirkten in seinem Sinne.

Lebenslauf von August Balser
20.12.1858   Geburt in Gießen
Vater: Mitprediger und Lehrer Daniel Balser, geb. 26.06.1805 in Gießen, gest. 02.02.1874 in Gießen,
Mutter: Karoline Balser, geb. Ortelli, geb. 24.11.1822 in Weimar, gest. 10.05.1896 in Darmstadt
1865 – 1877 Besuch des Gymnasium in Gießen
Abitur im März 1877 mit 18 Jahren.
02.02.1874 Tod seines Vaters mit 64 Jahren, er selbst war 15, seine Mutter 51 Jahre
1877  Ab März Studium der Medizin an der Universität in Gießen. Ab  28. Ok-tober aktivesMitgliedinderStudentenverbin-dung"Adephia".
1879 Medizinisches Vorexamen mi der Note "1".
1882 Medizinische Staatsprüfung mit der Note "vorzüglich bestanden".
1883 Doctor medicines
1884  Weiterbildung an den Universitäten Berlin, Leipzig und Halle.
1885  Physikexamen mit der Note "sehr gut".
22.06.1886 Hochzeit (32) mit Frl. Theodore, Auguste, Elise Agnes Dieffen-bach (32) in Grünberg bei Gießen.
01.05.1887 Geburt seines ersten Sohnes Karl August in Assenheim bei Fried-berg.
30.09.1888  Geburt seines zweiten Sohnes Eduard in Assenheim.
1889  Kreisassistenzarzt des Gesundheitsamtes in Gießen in Oberhessen, gez. Ludwig IV. von Gottes Gnaden, Großherzog von Hessen und bei Rheine 29.10.1890 Kreisarzt des Gesundheitsamts in Alsfeld in Oberhessen, Jahres-gehalt 2.400 Mark, gez. Ludwig IV. von Gottes Gnaden, Großherzog von Hes-sen und bei Rheine
12.12.1891  Geburt seiner Tochter (drittes Kind) Marie in Alsfeld.
1894 - 1912  Kreisarzt und Gerichtsarzt in Mainz (Hauptstadt von Rheinhes-sen, Teil von Hessen Darmstadt)
1899 Ernennung zum Medizinalrat in Darmstadt
03.04.1912 Im Frühjahr, Ernennung zum Obermedizinalrat als Vortragenden Rat in der Medizinalabteilung des Hessischen Ministeriums des Inneren in Darmstadt, Jahresgehalt 5.200 Mark, gez. Ernst Ludwig von Gottes Gnaden, Großherzog von Hessen und bei Rhein
1915   Ernennung zum Geheimen Obermedizinalrat
1920    Ernennung  zum Ministerialrat
1923    Pensionierung mit 64 1/2 Jahren
09.11.1925  Tod seiner Ehefrau Agnes BALSER mit 66 Jahren.
05.02.1937  Gestorben in Darmstadt mit 68 Jahren.

Familie Georg Heinrich Balser
Als Nachkömmling wuchs mein Urgroßvater August fast alleine auf. Als sein Vater 1874 mit 68 Jahren starb, war er ein Schüler von 15 Jahren. Mutter und Sohn waren allein in Gießen. Kontakt zu der Familie seines Onkels Ernst Conrad Balser, dem älteren Bruder seines Vaters, gab es nicht. Der Onkel war schon 1856 gestorben. Der hatte als der älteste Sohn von seinem Vater, dem Glasermeister Heinrich Balser, die Glaserei geerbt. Vielleicht mochten sich die beiden Ehefrauen nicht oder der Altersunterschied war einfach zu groß. Daher ist uns über die Nachkommen von Ernst Balser, die in Gießen ansässig blieben, nur wenig bekannt. Auch seine beiden Tanten, Joh. Eleonore Schlapp in Bingen und Chr. Luise Hanstein, waren bereits gestorben.

Im Überfluss aufgewachsen ist unser Urgroßvater sicherlich nicht. Nach sei-nes Vaters Tod war oft Schmalhans Küchenmeister. Seine Mutter Karoline hatte nur kleine Pension, mit der sie sorgsam haushielt und sparsam umging. Dennoch ließ sie ihren Sohn August Medizin studieren. Trotz ihres harten Lebens  verstand sie es, sich eine gewisse Eleganz zu bewahren, was auch ihren Sohn auszeichnete. Das schwere Schicksal hatten meinen damals 15 jährigen Urgroßvater August Balser früh gereift und innig mit seiner Mutter verbun-den. Die Beiden hatten nur noch sich und es entwickelte sich ein besonders gutes Verhältnis. Der Sohn kümmerte sich zeitlebens um seine Mutter.

Glasermeisters Georg Heinrich Balser (1769 -1848) und seiner Ehefrau Elisabeth Katarina, geb. Wagner (1776 – 1847), waren Daniel Balsers Eltern. Er war ein angesehener Glasermeister. Die wichtigste Aufgabe des alten Gla-serhandwerks war es, Licht und Schutz ins Haus zu bringen. Die Meister und Gesellen schnitten Fensterglas auf bestimmte Größen und Formen zu und setzen die kleinen Scheiben zu größeren Holz- oder Bleifenster (Butzengläser) zusammen. Sehr gute Auftraggeber waren die Kirchen-Gemeinden mit ihren beeindruckenden Kirchenfenstern. Dabei wurde der Glasermeister zum Künstler.

Georg Heinrich wurde mit seiner Glaserei kein reicher Mann, aber er hatte genügend Geld, um seinen zweiten Sohn Daniel studieren zu lassen. Der erste Sohn, Ernst (1800 – 1856), erlernte, wie damals üblich, das Handwerk seines Vaters und erbte nach dessen Tod 1844 die Glaserei. Zu dieser Zeit war Ernst bereits 46 Jahre alt und sollte die Glaserei bis zu seinem Tod nur zwölf Jahre führen. Der jüngste Sohn Georg war ebenfalls Glasermeister. Über ihn ist nichts bekannt. Die beiden Töchter, Eleonora (1798 -   ) und Christina (1803 -1878) heirateten Akademiker. Eleonore lebt mit ihrem Ehemann, dem Steu-erinspektor Schlapp, in Bingen. Christine lebte zusammen mit ihrem Ehemann Johann Hanstein und ihrer Tochter Christine in Gießen. Zur Ehefrau und zu den Kindern von Ernst Balser gibt es keine Fakten. Jedenfalls ist er sehr früh mit fast 56 Jahren gestorben. Zu dieser Zeit war August Balser, der Sohn von Daniel erst zwei Jahre alt. Eine familiäre Verbindung bestand eigentlich nur zu den beiden Schwestern.

Für meinen Urgroßvater und seine Mutter waren die zahlreichen Ortellis ein großes Glück. Die pflegten den Familienverbund, sogar mit einer  eigenen Fa-milienzeitung. Mein Urgroßvater war bei den Ortellis als der Vetter Balser gern gesehen und er war zeitlebens mit der Familie seiner Mutter eng verbunden. Regelmäßig besuchte er in Weimar die Familientreffen, war bei der Herausga-be der Familienzeitig aktiv und wurde im fortgeschrittenen Alter zum Familien-Vorstand ernannt. Die Liebe zu den Ortellis übertrug er auch auf seinen äl-testen Sohn Karl August, der nach bestandenem Abitur nach Leipzig zu seinem Onkel Lobe zog, um eine kaufmännische Lehre zu beginnen. Die älteste Schwester seiner  Mutter, Charlotte Ortelli, hatte den Kaufmann Lobe geheira-tet. Der bescheinigte seinem Neffen sehr bald das Fehlen des für einen Kauf-mann notwendigen Erwerbssinns und riet zu einem Studium in Leipzig. Die  gu-te Verbindung zu den Ortellis zeigte sich auch, als ich 1959 mit meinem Bruder Henning im Bus nach Berlin reisten. Am Busbahnhof holte uns Onkel Woldemar Ortelli ab und lud uns zum Essen in seiner Wohnung ein. Leider war seine hüb-sche Tochter Marion Ortelli nicht anwesend, die hatte ich zwei Jahre vorher auf der Darmstädter Hütte kennengelernt. So bildhübsch, mit dunklen Augen und dunklem Haar wie Marion, stellte ich mir meine Ururgroßmutter Ortelli vor.

August und seine Geschwister:
Buchdrucker          Schlosser                                  Advokat            Geh. Ober-med. Rat
Adolf                      Georg                Carolina           Hermann          August
BALSER                BALSER            BALSER           BALSER          BALSER
*1846                     *1847                 *1849                *1852              *1858
Gießen                   Gießen              Gießen              Gießen            Gießen
In die USA.             In die USA                                   In die USA
1872                       1880                                            1880
+1880                      +1827                 +1871              +1923               +1937
San Francisco         USA                   Gießen             USA                  Darmstadt
34                             80                      22 (TBC)          71                     78

Die bildschöne Tochter Carolina(1849 – 1871), genannt Lina, Urgroßvaters zehn Jahre ältere Schwester, hatte die feingliedrige Schönheit der Mutter geerbt, doch ohne deren südliche Note. Sie war blond und blauäugig wie ihr Vater Daniel. Der wachsende, allgemeine Wohlstand schützte vor persönlichen Schicksalen nicht. Kurz vor seinem 16. Geburtstag starb 1874 nach langer, schwerer Krankheit starb sein an seinem Stuhl gefesselter Vater. Seine Schwester Lina war sogar noch vor dem Vater gestorben. Sie hatte sich im Gießener Lazarett bei der Pflege verwundeter Soldaten des deutsch-französischen Krieges 1870/71 mit TBC angesteckt, was zu spät erkannt wurde und starb bereits mit 22 Jahren, drei Jahre vor dem Tod ihres lieben Vaters, der für den schwer leidenden Mann eine Erlösung war.

Der älteste Sohn Adolf sah seine Zukunft im aufstrebenden Amerika und wan-derte 22järig in die USA nach San Franzisko aus. Er wurde ein erfolgreicher Druckereibesitzer und animierte seine beiden jüngeren Brüder, Georg und Hermann, auch in die USA auszuwandern. Inzwischen Witwe, hatte Karoline nur noch ihren Jüngsten, unseren Urgroßvater August, im Hause. Als die beiden Brüder in San Franzisko ankamen, war Adolf plötzlich und unerwartet verstorben.

Adolf war unverheiratet. In San Franzisko gab es keine aufnehmende Balser-Familie. Die beiden Brüder (Georg 33 und Heinrich 28 Jahre alt) waren auf sich alleine gestellt und des Englischen nicht mächtig. Auch sie blieben unverheiratet. Auf dem Weg von China nach Deutschland im Jahr 1917 hat mein Großva-ter, Karl August Balser (30 Jahre alt), seinen 65jährigen Onkel Hermann Balser in San Franzisko besucht. In Tientsin war er Vizekonsul und Bürgermeister der deutschen Konzession. Er reiste mit seiner Ehefrau, Marie Balser, und seinen beiden Buben, Karli und Helmut. Es muss eine sehr bewegende Begegnung ge-wesen sein. Der einsame, ältere Herr freute sich so sehr über den Besuch seines Neffen aus der alten Heimat und schenkte ihm, etwas für ihn sehr kostbares, seine goldene Taschenuhr mit Deckel, das Konfirmationsgeschenk seiner Eltern. Die Uhr sollte im Besitz der Familie Balser bleiben.

Medizinstudium in Gießen
Im August 1877 bestand August Balser mit 19 Jahren sein Abitur und begann das Studium der Medizin in Gießen. Bereits zwei Jahre später bestand er sein Vorexamen mit der Note 1. und wiederum drei Jahre später (1880) seine medizinische Staatsprüfung mit der Note „vorzüglich“. Mit 25 Jahren bekam er den Doktortitel (1883) verliehen. Nach einer einjährigen Weiterbildung an den Universitäten in Berlin, Leipzig und Halle bestand er sein Physikexamen (1984) mit der Note „sehr gut“. Als einen ewigen Studenten konnte man August nicht bezeichnen. Er war strebsam, auch weil ein Studium damals sehr teuer war. Er wurde in seinem Beruf sehr erfolgreich, ohne ein mieser Streber zu sein. Im Gegenteil, er blieb bescheiden und hielt sich lieber im Hintergrund.

August Balser gab als Gymnasiast und Student fleißig Privatstunden. Es existiert aber auch eine Urkunde über ein jährliches Stipendium der Stadt Erfurt (1875) über einen Betrag in Höhe von 225 Mark. Im Vordergrund der gymnasialen, höheren Schule stand die Bildung, insbesondere die humanistische Bildung, und nicht die Pädagogik. Dementsprechend wuchs ein Bildungsbürgertum heran, das sich als Elite betrachtete. Bildung gab es damals nur für wenige.

 

Erfurt, den 18. Januar 1875
Auf Präsentation des Patrons des Fach. Grubeschen Anteils, Herrn General, Su-perintendant und Hofprediger Leo in Rudolfstadt, haben wir ihrem Sohn, dem Obersekundaner August Balser, diesen Anteil mit 75 = 225 Mark auch für das Jahr 1875 verliehen. Hiervon benachrichtigten wir Sie mit der Veranlassung, diesen Betrag gegen Quittung bei unserer Stadthauptkasse zu erheben.

Der Magistrat der Stadt Erfurt An die Witwe Frau Prediger Balser, Wohlgeboren

Auch während seines Medizinstudiums erfuhr er familiäre Unterstützung. Es scheint, dass Onkel August Ortelli, ein begüterter Kaufmann in Leipzig, sich während seines teuren Medizinstudiums in Leipzig, Gießen und Berlin seiner annahm.

Seine Kinder staunten immer über ihres Vaters Fähigkeit, ihnen in der Mathematik der Prima weiterzuhelfen, wenn sie im Unterricht etwas nicht kapiert hatten. Dabei war er kein Mathematiker und Integral- und Differenzialrechnung etc. hatten in seinem Unterricht noch kein Eingang gefunden. Dafür wurde in Griechisch und Latein höchste Leistung abgefordert: griechischer Aufsatz in der Reifeprüfung, lateinische Aussprache in Verbindung mit selbst gewähltem Thema und Dank an die Schule beim Abschiedskommers. Diese war unserem Urgroßvater sehr gelungen.
In Gießen schloss sich August der Reformverbindung „Adelphia“ an. Die trugen die Farben „Grün, Weiß, Gold“. In ihrem Haus gab es keinen Paukboden und die hatten auch keine Fechtsäbel. Die Adelphen waren dennoch ein lustiges Volk ohne Saufereigelagen. Das Staatsexamen hat mein Urgroßvater mit "summa cum laude" abgelegt. Anschließend wurde er Assistent an der Gießener Universitätsklinik, ging zur Vervollkommnung an die Berliner Charité, bestand sein Kreisarzt-Examen mit "sehr gut".

Landarzt in Assenheim
26jährig wagte er den Schritt und ließ sich als praktischer Arzt in dem kleinen Wetterau-Städtchen Assenheim nieder. Zwei Jahre später, am 22.08.1986, heiratete er mit 28 Jahren in Grünberg/Oberhessen, die nur ein halbes Jahr jünge-re Agnes Dieffenbach. Bereits ein Jahr später, 1887, kam unser Großvater, Karl August, zur Welt. Karl August sollte ein deutliches Zeichen der Freundschaft zwischen Karl Theobald und August Balser sein und immer der Vorname des Erstgeborenen werden. Dies hat aber nicht ganz funktioniert. Nur ein Jahr danach sein Bruder Eduard. Im Schloss in Assenheim lebte damals noch der hessi-sche Graf Solms-Rödelheim, deren Hausarzt er wurde.



 

Urgroßmutter Agnes befreundete sich mit der Gräfin, geborene von Pappenheim, die wie sie, aufgeschlossen war für Kunst und Musik, und spielte mit ihr regelmäßig vierhändig. Zur Taufe des ältesten Sohnes Karl August schenkte die Gräfin eine Familienbibel mit den schönsten Kupferstichen illustriert und mit einer in großen gotischen Buchstaben geschriebenen Widmung. Die Beziehung zu dieser Familie reichte bis hinein in die zweite Hälfte der 20er Jahre.

Mein Urgroßvater konnte keine Rechnung schreiben, bis auch ihm der magere Mittagstisch auffiel und Mutter nun um Abhilfe bitten konnte. Richtige gelernt hat er das Liquidieren nie.

So ein Landdoktor verwaltete seinerzeit ein umständliches, mühevolles Amt. Da hieß es im heißen Sommer und im kalten oberhessischen Winter über Land laufen, zu jeder Tages und Nachtzeit bereit sein. Ein Fortschritt war die Erfindung des Rades mit Vollgummireifen. Unser Urgroßvater verstand sich ausgezeichnet mit den "Werrerarern", hatte seinen Spaß an ihrer Ursprünglichkeit und be-leuchtete oft ihre Sinnesart mit erlebten Anekdoten. Aber einmal wäre er fast das Opfer einer Gehässigkeit geworden. Ein ausgebrochener Irrer lauerte ihm in einem steilen Hohlweg auf, steckte ihm eine Eisenstange durchs Vorderrad, Großvater stürzte, es gab ein Handgemenge, Großvater überwältigte den armen Teufel und sorgte für seine Sicherstellung. Folgende rührende Geschichte ereignete sich in Peking im Jahr 1909. Großvater feierte als junger Dolmetscher das erste Weihnachtsfest fern der Heimat mit anderen Junggesellen. Unter ihnen war ein älterer, seit Jahren in den Fernen Osten verschlagener Graf Pappenheim. Man erzählte allerlei und Karl August erwähnte, dass er in Assenheim bei Friedberg in Hessen geboren sei. „Dort lebt meine geliebte Schwester, von der ich jahrelang nichts gehört habe“, sagte Pappenheim. Worauf Balser: „Meine Mutter hat mit der Gräfin Solms-Rödelheim regelmäßig vierhändig gespielt, als ich noch kaum laufen konnte, denn mein Vater war dort Hausarzt.“ Wie seltsam diese Nachricht an diesem Weihnachtsabend! Dem alten Herrn kamen die Tränen

Kreisassistenzarzt in Gießen und der Beginn einer lebenslangen Freundschaft
Als ihm die Stelle eines Kreisassistenzarztes in seiner Heimatstadt Gießen angeboten wurde, verließ unser Urgroßvater nach drei Jahren, im Jahr 1889, Assenheim. In diesen zwei Jahren in Gießen lernte er den Gerichtsassessor Karl Theobald kennen und schätzen. Die beiden jungen Herren befreundeten sich. Karl war nur zwei Jahre älter als August. Es gab gewisse Parallelen. August war das jüngste von fünf und Karl von vier Kindern. Beide hatten sehr früh ihre Väter verloren, waren erst jung verheiratet, strebten nach Erfolg im Beruf und waren dabei eine Familie zu gründen. Unser Urgroßvater war als stolzer Vater zweier Söhne seinem Freund einen Schritt voraus. Der folgte ihm umgehend. Im Jahr 1890, kurz vor Augusts Umzug nach Alsfeld, wurde Karl Vater einer Tochter, Marie Theobald. Meine Großmutter Balser, von allen nur Eni genannt, wurde al-so in Gießen geboren. Ihr Geburtshaus stand in der Wilhelmstraße 20. Ihre Kindheit hat sie aber in Mainz verbracht, wo ihr Vater zum Landgerichtsrat be-fördert wurde.

Kreisarzt in Alsfeld
Gießen, Alsfeld, Mainz waren Städte des Großherzogtums Hessen-Darmstadt. Gießen war die Provinzhauptstadt von Oberhessen, dazu gehörte auch Alsfeld, und Mainz war die Hauptstadt  von Rheinhessen. Für die hessischen höheren Beamten war Gießen wenig attraktiv, aber das zwischen Vogelsberg und Knüll-Gebirge liegende Alsfeld eine Strafe. Für August, der weder das goldene Mainz noch das höfische Darmstadt kannte, hatte seine Versetzung keinen Schrecken.

1891 trat August Balser als Kreisarzt in Alsfeld seinen Dienst an. Dort wurde auch ein Jahr später (1891) seine drittes Kind, seine Tochter Marie, geboren. War dies ein Zufall oder eine Referenz an seinen Freund Theobald? Nach Alsfeld holte er auch seine Mutter und zu deren Unterstützung die junge Auguste Kedbitza, die zur Vertrauten seiner Ehefrau. Wurde. Sie wohnten bei Zim-mers, gegenüber von Konditor Klingelhöfer, in zwei Stockwerken. Zur allgemeinen Überraschung herrschte damals in dem kleinen Alsfeld ein lebhaftes, gesellschaftliches Treiben, in das August und Agnes sofort hineingezogen wurden. Die musikalische Agnes sang gut und tonsicher in kleinen Aufführungen des Casinos mit Hensel und Gretel, spielte Klavier zwei- oder vierhändig, August wusste viele Geschichten zu erzählen, kurzum, sie waren recht beliebt und die Verbindungen zu den Alsfelder Freunden hielt ein Leben lang.

 

Die Gabe, Freundschaft zu halten und zu pflegen, übertrug sich auch auf nachfolgende Generationen. Die Kippeleihen mit dem ewigen Neckerer Edi und Augusts Rolle als Beschützer der kleinen Schwester begannen bereits in Alsfeld. Gegen die Außenwelt aber hielten die drei eisern zusammen. Auch den Kindern fiel der typische, harte Schlag der Oberhessen auf. Alsfeld, eine frühere freie Reichsstadt, lag von Alters her an einer viel benutzten Verkehrsstraße. Daher stammt ihre einstige Weltoffenheit und Wohlhabenheit, die eine Kostbarkeit, den Marktplatz geschaffen hat. Alte gotische Stein- und Fachwerkbauten umgeben den großzügigen Platz. Die Apotheke am Rathaus, die 300 Jahre im Besitz der Familie Sander war, wird überragt von dem mächtigen Turm der Wal-purgiskirche, der einzigen hessischen Kirche, in der Luther gepredigt hat  (Am anderen Tag zog er nach Grünberg und nächtigte im "Lutherhaus"). Auch der Freiherr von Neurathsche-Hof, der ursprüngliche Sitz des Geschlechtes, gehört zu den Sehenswürdigkeiten. Für die traditionstreue Schwalm ist Grünberg "die Stadt". Die vielfarbige, uralte, Schwälmer Tracht wurde noch bis in die ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg im Alltag getragen. Dafür war diese Gegend berühmt. Bei meine Mutter in der Küche hing das Bild von dem Willinghäuser Maler, Karl Bantzer, „Die Schwälmer Hochzeit“. Sie hat es so geliebt, weil der Bräutigam meinem Vater, also ihrem im Krieg gefallenen Ehemann, so ähnlich sah.



Zwischen diesen reichen Bauern mit ihrem ererbten, heute so hoch bewertet im Hausrat, saßen auch ärmere Häusler. So kam in den harten, schneereichen Wintern Oberhessens Woche für Woche eine Großmutter den vier Stunden langen Weg bis Alsfeld gelaufen und verkaufte meiner Urgroßmutter einen Weidenteller feinsten Feldsalats um einen Groschen. Denn sie musste für ihr verwaistes Enkelkind sorgen. Der Groschen verwandelt sich immer in eine Mark, dazu ein warmes Essen und ein Paket für den kleinen Jungen. Dafür acht Stunden Marsch in eisiger Kälte und mindestens eine Stunde Arbeit, den Feldsalat unterm Schnee auszugraben. Zum anderen: In einer Winternacht bei -24 Grad kam ein armseliges Fuhrwerk an geklappert: "Schnell, Herr Kreisdoktor, meine Frau in Kinds- und Todesnöten!" Urgroßvater nahm seine große Instrumententasche, wickelte sich warm ein und rumpelte, Füße im Stroh, zwei Stunden weit hinter das Jagdschloss Romrod auf einem kleinen Hof. Die arme Hochschwangere konnte nur noch wimmern. Nun hört und staunt: in der düsteren Küche beim Schein eines einer Stalllaterne, die eine blöde Markt hielt, holt er das viel zu große Kind mit Kaiserschnitt. Es war alles gut gegangen und der Hoferbe entwickelt sich prächtig. Im Frühjahr frug der Bauer nach seiner "Schuldigkeit", die 10 Mark betrug.


 

Aber auch die Zeit in Alsfeld sollte nur eine Episode werden. Ende 1894 hieß es erneut umziehen. Bei einer Visition der Gesundheitsbehörde war der von August betreute Kreis vor allen anderen gesundheitlich auf der Höhe. Deshalb rief ihn der Großherzogliche Hessische Minister des Inneren auf den begehrten Posten Kreisarzt und Gerichtsarzt in Mainz, der Hauptstadt von Rheinhessen, damals ein Teil des Großherzogtums Hessen-Darmstadt.

Kreisarzt und Medizinalrat in Mainz
Der Umzug von Alsfeld nach Mainz war eine  schwierige Aufgabe, die die junge Mutter allein meistern musste. Der Vater gestaltete noch das Weihnachtsfest im gewohnten Rahmen. Zur Organisierung des umfangreichen Umzugs kam noch die umständliche Packerei: Ein Hausrat von drei Kindern, eine gehunfähige, zarte Großmutter Karoline, die empfindlichen Geräte einer Arztpraxis. Aber die härteste Probe musste sie bei der Ankunft am 01.01.1894 bestehen. Es herrschte -25 Grad, tiefer Schnee. In einer offenen Halle des Hofes wurde aus-gepackt und in die große Doppelwohnung des Erdgeschosses getragen. Wie eiskalt empfängt uns das goldene Mainz, stöhnte Mutter. Vier Wochen später wanderte die Familie über den zugefrorenen Rhein, fuhr auf der Kasteller Seite (Mainz-Kastell) Karussell, wärmte sich an gerösteten Kastanien und aß Buwe-Schenkel und Mattekuche.

In Mainz traf August erneut seinen Freund Karl Theobald aus Gießen. Der war in Mainz Landgerichtsrat. Herr Theobald war bereits vor zwei Jahren nach Mainz versetzt worden und kannte sich dort inzwischen gut aus. Er hatte inzwischen zwei Kinder, eine Tochter Marie und einen Sohn Ludwig Conrad.

Nach der Konfirmation von Karl August (1904) wurde ein gemeinsamer Ausflug der beiden Familien Balser und Theobald an den Rhein nach Gau-Algesheim unternommen. Ein noch erhaltenes Bild zeigt den Konfirmanden im schwarzen Anzug, einen schwarzen Hut auf dem welligen, rotblonden Haar. Die drei Jahre jüngere Marie wurde von ihm nach dem Glaubensbekenntnis gefragt, wobei er auf die richtige Betonung beim Aufsagen großen Wert legte. Dass Theobalds Tochter Marie und Balsers Sohn Karl August Jahre später heiraten würden, konnte niemand ahnen.

1899 wurde Dr. August Balser zum „Medizinalrat“ ernannt. Sein Freund Karl Theobald wurde 1903 zum Oberstaatsanwalt befördert. In Mainz lebte er bis zum Jahr 1912. Karl ging bereits im Jahr 1909 als Landgerichtspräsident und August 1912 als Obermedizinalrat nach Darmstadt. Dort blieben Beide bis zu ihrem Tod.

Urgroßvater Balser war ein hervorragender Arzt und Forscher auf dem Gebiet der Gesundheitspflege. Sein weißer Patriarchenbart trug ihm den Spitznamen „Der liebe Gott in Zivil“ ein. Fand er als Kreisarzt einen Wirkungskreis, der sei-ner Arbeitsfreude und -kraft immer neue Nahrung gab. Er setze die Sanierung der Altenstadt durch Kanalisation durch, was nicht ohne Kämpfe abging. Er wusste den damaligen Oberbürgermeister, Dr. Gassner, und die Stadtväter zu überzeugen. Sein frisches Auftreten, seine oft witzige Redebegabung bei knappster Formulierung, seine Wendigkeit, das alles gefiel den Mainzern, natürlich auch seine jugendfrische, eindrucksvolle Erscheinung.

Aus Mainz gibt es eine amüsante Gesichte zu erzählen (nacherzählt 1995 von Reinhard Balser): "Wenn er durch die Stadt ging, insbesondere durch die ärms-ten Stadtteile, da riefen die kleinen Jungen und Mädel sich zu "Do kimmt de liewe Gott!" Urgroßvater hatte einen Charakterkopf mit prächtigem Bart, so könnte man sich den Kopf unseres Herrgottes vorstellen. Er trug, der damaligen Mode entsprechend, einen Rock mit Rockschößen. In den Schößen waren auf der Innenseite Taschen eingenäht und in allen Taschen hatte er Bonbons, die wie Rheinkiesel aussahen und deshalb auch "Rheinkiesel" genannt wurden. Er ver-teilte diese an die Kinder, wenn er durch die Stadt ging. So war er bei vielen Kindern als "de liewe Gott" stadtbekannt. Diese wahre Geschichte ist typisch für den Charakter unseres Urgroßvaters. Er hatte für die Jugend viel Verständnis."

Mit Bürgermeister Schmidt zusammen suchte er auf dem Lande die Familien aus für die städtischen Waisen. In der Gefangenenfürsorge griff er aktiv ein, ebenso in die Bekämpfung des Alkoholismus. Den Auf- und Ausbau des Roten Kreuzes hat er nach Kräften gefördert. Er war weit und breit der gesuchteste Gerichtsarzt, ein nie zu widerlegender Obergutachter. Mit seinem Schreiber, Herr Drapp, den er aus dem Gefängnis in seine Dienste genommen und bei sei-ner nun erprobten Treue eine Lebensstellung bei der Staatsanwaltschaft vermit-telt hatte, arbeitete er oft bis tief in die Nacht,  Herrn Drapp diktierend und selbst ein Gutachten in die Maschine tippend, ja sogar nach Notizen für einen anderen Fall stenografierend. Auch wirkte er in Kirchenvorstand und Synode mit. Diese Beispiele mögen für einen viel größeren amtlichen und ehrenamtlichen Aufgabenkreis stehen!

Und das Erstaunliche war, dass er seine Kinder bei den ausgedehnten, anstren-genden Beschäftigung nie aus den Augen ließ. So arbeitete er mit Edi täglich, der durch seinen versteckten Scharlach mit drei Jahre bis zu seinem 19. Lebensjahr zart und nierenkrank und deshalb nicht zur konzentriert war. Edi steckte außerhalb der Schule lieber beim Drogisten Kopp oder im eigenen Laboratori-um, in dem man mit Christian Kupferberg experimentierte, als hinter den Schulbüchern... Für seine Tanzstundenfreundin stellte er Kölnisch Wasser, Man-darinen-Parfüm, Mundwasser her, entwickelte die selbstaufgenommenen Port-räts, den Verwandten verkaufte er seine Erzeugnisse und hatte immer den Sack voll Geld. Manchmal knallt es auch hinter dem Hofbalkon und Christian und Edi stürzten heraus, rußgeschwärzt mit verbrannten Haaren. So vergaß er bis zum Abend die Schulaufgaben, die dann sein Vater ihm einbläute.

Mariechen nahm er auch gerne auf seine Gänge und Fahrten mit, als Kleingeld wurde sie auf das Rad gepackt, mit 8 Jahren bekam sie ein Kinderrad und Strampelte eifrig neben ihm her ins Gefängnis, auf den Friedhof, übers Land, wohin sie der gute große Bruder, wenn es seine Zeit erlaubte, begleitete. Ob im Gefängnis oder auf dem Dorf, überall haben die Kinder den Menschen im Men-schen gesehen und achten gelernt, ebenso die Verpflichtung, nach besten Kräf-ten zu helfen, wo es auch sei. Diese Einstellung, die leider nicht allgemein verbreitet ist, hat Bruder August sicherlich den Zugang zum Verständnis Ostasiens und zu seinen Menschen und seiner Kultur erleichtert.

Beide Söhne, Karl August und Eduard begannen ihr Studium in Gießen, Karl Au-gust Jura und Eduard Medizin. Gemeinsam traten sie in die Burschenschaft „Adelphia“ ein. Es war eine liberale, fortschrittliche, Studentenverbindung, ohne Paukboden. Für beide sollte die Adelphia Schicksal spielen, denn auf einem Stif-tungsfest im Jahr 1909 in Gießen verliebte sich Karl August in die Tochter des Freundes seines Vaters, dem Oberstaatsanwalt in Gießen Karl Theobald. Dies war etwas knifflig, denn Marie Theobald war eigentlich mit seinem Bruder Eduard befreundet. Aus der heimlichen Verlobung wurde im Jahr 1913 eine Ehe. Hochzeit gefeiert wurde aber am Dienstort ihres Mannes in der deutschen Ko-lonie Tsingtau/China. Dort wurde ein Jahr (1914) später der erste Sohn Karli und weitere zwei Jahre später (1916) der zweite Sohn Helmut geboren.

Geheimer Obermedizinalrat und Ministerialrat in Darmstadt
Nach überstandener, schwerer Erkrankung wurde August mit 54 Jahren, im Jahr 1912 nach Darmstadt als „Obermedizinalrat“ und vortragender Rat in der Medizinal-Abteilung des Hessischen Ministeriums des Inneren berufen und drei Jahre später, mit 57 Jahren, zum „Geheimen Obermedizinalrat“ ernannt.

Es wuchsen immer neue Aufgaben zu, aber sie standen alle im Dienste der Wissenschaft und der Hebung der Volksgesundheit. Hessen wurde, besonders unter seiner Führung als Chef der Gesundheitsbehörde in Ministerium, führend in der Bekämpfung der Säuglings- und Wöchnerinnen-sterblichkeit. Er war der Berater der Großherzogin Eleonore bei deren Gründung, dem Eleonoren-Heim für Säuglinge. Er hat das wichtige Amt der Hebammen gehoben, durch tüchtige Ausbildung und häufige Kontrollen.

Dr. August Balser war ein Anhänger der klugen Außenpolitik von Bismarck. Die Außenpolitik von Kaiser Wilhelm II. beunruhigten ihn und über dessen impulsi-ven Reden empörte er sich sehr. "Er verspielt das Bismarck’sche Erbe."

Die Balsers waren sehr naturverbunden und wanderten gerne in gesunder, schönen Landschaft. Die Kinder waren fast immer dabei. Dennoch, der kulturelle Aspekt spielte die Hauptrolle, besonders bei Auslandsreisen. Dann wurde auch die Literatur herangezogen: Wilhelm Tell in der Schweiz, Egmont, Abfall der Niederlande in Belgien und Holland. Die Beiden gingen aber auch allein auf Reisen, machten große Wanderungen und Bergbesteigungen mit Führern in den Alpen. Urgroßmutter Agnes unterzog sich größter Strapazen dabei. Aber sie war so aufnahmefreudig, dass ihr nichts entging. Beide kamen so durch die bayerischen Alpen, Schweiz, Oberitalien.

1920, also in der Weimarer Republik, wurde ihm der Titel „Ministerialrat“ ver-liehen. Drei Jahre später ging er mit knapp 65 Jahren in den Ruhestand. Am 5. Februar 1937 ist er mit 78 Jahren in Darmstadt gestorben. Seine Frau Agnes hat er zwölf Jahre überlebt. Die war bereits mit 66 Jahren in Darmstadt  gestorben. Sein Freund Karl Theobald folgte ihm vier Jahre später mit 85 Jahren.  In der „Pfingstausgabe“ der Ortellischen Familienveröffentlichungen steht der Satz: „An seinem Grabe standen seine fünf männlichen Enkel. Es war ergreifend, wie sie tief ernst vor die Gruft traten und dem Großvater die letzte Ehre erwiesen.“ Die Enkel, die Söhne des damaligen Vortragen Legationsrates Karl August Balser, waren Karli, Helmut und Hannes sowie die Söhne seines Bruders, Medizinalrat Dr. Eduard Balser, Reinhardt und Ferdi.

Die Enkel hatten alle Urgroßvaters Balser Energie, seine Schaffenskraft, Lebens-freude und patriarchalischen Erziehungsmethoden kennen und schätzen ge-lernt. Er verlangte viel von sich, aber ebenso viel von den anderen. Er verabreichte Helmut einen kleinen Abzug, als er noch in den Kindergarten ging. Das kam so: Urgroßmutter Theobald gab Helmut kein leckeres Frühstücksbrot mit (im Rübenwinter 1917/18). Er legte dieses auf einen Gartenzaun und sagte: „Meine Großmutter gibt mir kein Brot mit.“ Dadurch erhielt er die begehrte Quäkerspeise, die meist aus Schokoladenpudding bestand. Aber Urgroßvater Balser setzte sich auch für seine Enkel ein. Als Karli und Helmut später von Pe-king kommend die damals noch in Darmstadt unbekannten Überfallhosen (Kni-ckerbocker) trugen, wurden sie von ihren Mitschülern als „Chinos“ beschimpft und von der ganzen Horde auf dem Nachhauseweg angefallen. Urgroßvater Balser hörte dies, versteckte sich in einem Hauseingang, tauchte im geeigneten Augenblick auf und vertrieb die Übermacht mit seinem Stock. Später als die beiden von Wladiwostok zurück haben, hatten sie inzwischen Judo gelernt und konnten sich ihre Haut wehren.

Im Jahr 1925 fuhr Urgroßvater August an Pfingsten zum Familientag der Ortellis nach Weimar und brachte Urgroßmutter Agnes auf ihren ausdrücklichen Wunsch in ein Privatkrankenhaus. Da hat sie wohl den Todeskeim empfangen. Am 27.08.,ihrem 66. Geburtstag, schrieb der Urgroßvater an seine Tochter: "Ei-ne nicht zu bannende Wehmut lag über ihren Rosentag." Als Arzt wusste er, dass sie zum letzten Mal den 27. Juni zusammen feierten. Ende September te-lefonierte er ihr mit erstickter Stimme, sie solle kommen, Mutter wolle sie sehen. Ihr Zustand war ein Martyrium. Sie wünschte sich, dass es bald vorbei wäre. Am 09.11.1925 ist sie sanft eingeschlafen. Tante Mariechen berichtet in ih-ren Erinnerungen, dass ihr Vater vielleicht an eine späte zweite Ehe gedacht hat. Käte Kaiser, in Aussehen und Wesen eine echte Ortelli, bedeutete ihm viel. Aber er entsagte diesem Traum Kindern und Enkeln zuliebe. Das Schicksal legte Urgroßvater Balser in seinen letzten Lebensjahren schwere Aufgaben auf seine Schultern. Bei der Machtübernahme der Nazis im Jahr 1933 war er 75 Jahre alt, nahm aber am Leben regen Anteil und sein Wort wog. Hitlers Regiment brachte für seinen Sohn Edi Unheil. Der wurde "cum infamis" pensioniert. Sein Vater verhalf ihm zu einer eigenen Praxis im eigenen Haus in Auerbach bei Bensheim. Die Ehrung mit einem Festakt der Universität Gießen zu seinem goldenen Doktorjubiläum lehnte er zutiefst betroffen ab.

Am 4. Februar 1937 übergab er seiner Tochter den Schlüssel zu seinem Nachlass für seinen ältesten Sohn Karl August, der von nun an das Oberhaupt der Familie sein sollte. "Meine Beine gehorchen mir nicht mehr", sagte er, raffte sich trotzdem auf, um mit der Stütze seiner Tochter in sein gegenüber liegendes Schlafzimmer zu gehen, da übermannte ihn der erste Schlaganfall. Die Ärz-te, auch Edi, waren sofort zur Stelle. Die Kollegen gaben Hoffnung, denn der Urgroßvater hatte sein blühendes Aussehen nicht verloren und schob die Erkrankung auf seine schwere seelische Erschütterung. Gegen Abend des 5. Februar wiederholte sich der Anfall zum dritten Mal. Sein eines Auge war erblindet. Wenig später ist er im Alter von 76 Jahren verstorben. Bei seiner Beerdigung in Darmstadt versammelte sich die große, weitläufige Familie Balser an seinem Sarg.

Wir Balsers sind sehr stolz auf unsere Familie, die sich aus bescheidenen ober-hessisch-provinziellen Verhältnissen mit sehr viel Fleiß und Talent nach oben gearbeitet hat. Dennoch, der Stammvater ist nicht ein Mitprediger oder ein Glasermeister und Musiker, sondern der Geheime Obermedizinalrat und Minis-terialrat Dr. med. August Balser. Aus fünf Nachkommen des Daniel Balser und der Karoline Ortelli war er mit Nachkommen gesegnet. Die Familie Balser bestand aus ihm und seiner geliebten Mutter, die bis zu ihrem Tod in seinem Haushalt wohnte. Seine erlebte Familie hieß nicht Balser, sondern Ortelli. In Weimar besuchte er die Familientreffen der Ortellis. Seine Großeltern, Vettern und Cousinen hießen Ortelli. Er war herzlich willkommen und er fühlte sich im Kreise der Ortellis sehr wohl. Er passte mit seinen dunklen Haaren und Augen und seinem klassischen Profil (ein gut aussehender Mann) bestens in diese Familie. Die Ortellis, die Familie seiner Mutter, waren es, die sein teures Medi-zinstudium ermöglichten. Leider ist mit der Zeit diese Verbundenheit verloren gegangen.

 























 












 








 
 
 
 
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